Der Tag wird lang werden, aber Helga und Eberhard haben mir ein Superfrühstück in ihrem Garten bereitet: ihre Gastfreundlichkeit ist wirklich fantastisch, ich kann das Haus nur allen Durchreisenden der Region empfehlen! Und es ist jetzt sicher, meine zwei Gastgeber werden heute Abend mit von der Partie sein, beim Begegnungstag in der Neißegalerie. Aber vorher muss ich mich eiligst auf den Weg machen: Helga hat ihrem Chef vom Veloblog erzählt, und jetzt erwartet mich der Direktor des Schlesischen Museums in seinem Büro. Markus Bauer hat begonnen, sich für Schlesien zu interessieren, nachdem ihn die Tatsache geärgert hatte, dass selbst in den 80er Jahren das Thema noch zum alleinigen Jagdrevier der konservativen Rechte gehörte. Der ausgebildete Historiker zeigt sich meinen Fragen ziemlich aufgeschlossen und erzählt mir die Geschichte des Schlesischen Museums. Alles beginnt mit dem Wieso und Warum sich das Museum in Görlitz befindet: “eine sehr politische Frage”, warnt mich Markus Bauer, der Direktor des Museums, gleich zu Beginn. “Man ist sich nicht einig darüber, ob Görlitz zu Schlesien gehört oder nicht.” Und er erklärt mir die Beziehungen innerhalb der Region Oberlausitz, zu der Görlitz und Schlesien gehören, im Detail, nachdem wir einmal über Napoleon hinaus sind. Dann stellt mir der Museumsdirektor den Vorgang dar, der zur Eröffnung eines Museums über Schlesien führte: “Alles begann in den 50er Jahren, mit den aus Schlesien vertriebenen Deutschen, aus einem Gebiet, das heute zu Polen gehört. Die Schlesier, wie man sie nennt, haben in den neuen deutschen Städten, in die sie vertrieben wurden, sogenannte “Heimatstuben” gegründet. Man traf sich zu Hause oder in einem Café… oft gemäß dem Herkunftsort. So gab es zum Beispiel in Köln eine Heimatstube der großen Gemeinde aus Breslau (Wrocław). In den 70ern entwickelte sich eine Debatte über die Zukunft der Heimatstuben und anderer kleiner örtlicher Museen, die sich der schlesischen Kultur widmeten: was sollte aus ihnen nach der ersten Generation von Vertriebenen werden?” So entstand der Wunsch, ein zentrales Museum zu eröffnen. Zu Beginn war Hildesheim, nicht weit von Hannover, im Gespräch, da in dieser Region viele Schlesier leben. Dann wurde Gerhard Schröder an der Spitze von einer rot-grünen Koalition Ministerpräsident von Niedersachsen und setzte dem Projekt ein Ende. “Das Museumskonzept war damals ziemlich fragwürdig, da es die Schlesier als ein Volk im Exil darstellte”, bemerkt Markus Bauer. “Ein Museum für zeitgenössische schlesische Kunst stand auch auf dem Plan, hätte die schlesische Gemeinschaft aber stärker als alles andere in sich selbst abgeschottet. Die Kinder der Schlesier fühlen sich aber nun vor allem bayrisch, sächsisch usw.” Kurz, das Projekt für ein Museum in Hildesheim ist ins Wasser gefallen. Die Idee für ein zentrales Museum über Schlesien wurde nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wieder aufgenommen und in Görlitz wurde ein Verein gegründet, der rasch die Unterstützung von Seiten des Bundes erhielt und nach einigen Diskussionen auch die des Landes Sachsen. 1994 wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, 1999 begannen die Arbeiten und letztes Jahr wurde das Museum eröffnet. “Viele Schlesier, die am Ende des Zweiten Weltkrieges vor der Roten Armee geflohen waren, sich hier auf der anderen Seite der Neiße niedergelassen hatten und vorhatten, in ruhigeren Zeiten wieder in ihre Herkunftsregion zurückzukehren, haben ihre Unterstützung gezeigt, oder sagen wir besser, ihre Kinder haben ihre Unterstützung gezeigt”, berichtet Markus Bauer. Kurz, das Schlesische Museum scheint in Görlitz auf dem Marktplatz willkommen zu sein. Laut dem Direktor “Heimatmuseum”. Die Sammlung des Museums erlaubt es, die schlesische Kultur und Geschichte der letzten 100 Jahre zu zeigen. “Wir haben viele Schenkungen von Schlesiern erhalten”, erklärt Markus Bauer. “Viele haben ihre Haustürschlüssel aufbewahrt, die Kleidung, die sie beim Übertritt über die Grenze trugen, ihre Koffer, usw. Und oft wollen die Kinder nichts mehr über Schlesien hören, sie, die während ihrer gesamten Kindheit gehört haben, wie schön Schlesien ist, wie traumatisierend die Vertreibungen waren, usw.” Ergebnis: die Erinnerungsstücke landen in der Sammlung des Schlesischen Museums. “Das Museum hat sich zwei Schwerpunkte gesetzt”, führt Markus Bauer genauer aus. “Zum einen wollen wir den Kontakt zu den Schlesiern pflegen, die seit 1945 in Deutschland leben, und zum anderen den zu den Polen, die diese Region nach dem Krieg wieder besiedelt haben und die oft selbst aus der Grenzregion zwischen Polen und der Ukraine vertrieben wurden. Wir wollen ihnen Zeit geben, sich in der Region zu Hause zu fühlen, nachdem sie lange Zeit Angst, vor einer Rückkehr der Deutschen hatten. Aber jetzt ist das Interesse für die Geschichte von Schlesien da!” Kann man ab diesem Zeitpunkt von einem gewissen grenzübergreifenden Bewusstsein sprechen, Schlesier zu sein? “Schwer zu sagen”, antwortet mir Markus Bauer. “Aber manchmal, bei Treffen zwischen ehemaligen Schlesiern und neuen Bewohnern des jetzt polnischen Gebietes, vermischen sich die Erinnerungen. Einige stellen fest, dass sie auf die selbe Schule gegangen sind, in der selben Straße gewohnt haben, usw. Daher kann man von einer gewissen Einheit über die Grenzen hinweg sprechen. Aber es ist noch nicht sehr weit verbreitet.” Ein Besuch der Museumssammlungen, die auf deutsch und polnisch gezeigt werden, würde es sicher erlauben, mehr zu erfahren! Ich muss wirklich wiederkommen…warum nicht diesen Winter, um die Ausstellung über das schlesische Porzellan zu sehen!
1 Kommentar zu "Morgendliches Treffen mit dem Direktor des Schlesischen Museums"
C’est le cas pour toute population déplacée au nom de conflits d’intérêt, imposés par des gens non directement concernés…Il en existe des cas très “brûlants” aujourd’hui encore… Hinterlasse einen Kommentar
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