Archiv für den 18. August 2007Wo ich Pakete so liebe…ich bin sprachlos! Andauernd sage und wiederhole ich Journalisten gegenüber, dass ich deshalb alleine radele, damit ich leichter Kontakt zu meinen Gesprächspartnern herstellen kann, und dass sich aber hinter dem Veloblog ein ganzes Team von um die 30 Personen versteckt, die allesamt unglaublich wichtig sind. Darunter auch Frank, der Webmaster… mit erweiterten Kompetenzen: bringt mir der Postbote doch tatsächlich ein Paket zur Familie Manthe… “für Charlotte Noblet”. Ein Paket, das nach frischgewaschener Wäsche riecht, Handschuhe und die hier und dort verlorenen Karten enthält und mich außerdem noch mit orangefarbenen Haargummis, Sonnenschein und einem Handtuch versorgt, das ultraleicht ist und nach einem Monat Rumradeln wirklich gut zu gebrauchen ist… Auch das gehört zu den angenehmen Überraschungen des Veloblog: eine tolle Gruppenarbeit und schöne, unvergeßliche Momente! Wie der Erhalt eines Päckchens. Noch einmal geht es um die Hugenotten, die nach ihrer Aufnahme in der Region während des 17. Jahrhunderts viel zur wirtschaftlichen Entwicklung Brandenburgs beigetragen haben. “Ihr, die Franzosen, seid es, die für den ganzen Tabakhandel verantwortlich seid!”, wirft Matthias ein und klopft mir dabei auf die Schulter. Hier, im Tabak-Museum von Vierraden kann man eine Menge über die Tabakindustrie lernen. “In der Region regnet es nicht sehr oft, aber für den Tabak reicht es”, erklärt mir Matthias weiter und gesteht, dass auch er manchmal Schwierigkeiten hat, Tabak- und Maisfelder zu unterscheiden. Vergnügt und gut gelaunt entdecken wir die Geschichte des Tabaks, die Herstellung von Zigaretten und den Tabakhandel - es gibt da ein Schild, das die Einführung staatlicher Steuern im 18. Jahrhundert beschreibt und gleich darauf eins zum Tabakschmuggel. Im Museumsgarten hat man die Möglichkeit, sich im Auffädeln der Tabakblätter für das Trocknen zu versuchen. Heute ist Tabakblütenfest. Eine Museumsfrau nimmt sich die Zeit, unsere Fragen zu beantworten. Sie selbst kommt aus Gatow, dem Nachbardorf, und ihre Familie hatte beruflich mit Tabak zu tun. Anbau, Trocknung, das Sortieren der trockenen Blätter - sie weiß auf alles Antwort! Schade, dass sie hier nur eine schlecht bezahlte ABM-Stelle hat… denn das Wissen und die Lust, es weiterzugeben, sind definitiv da! Ach, aber wieder mal kann das Veloblog nicht lange bleiben: Matthias hat ein Interview mit einem Journalisten der Märkischen Oderzeitung organisiert… und auch der wöchentliche Anruf von RFI drängt sich in die Tagesplanung. Schließlich gilt es, noch ein paar Leute zu überzeugen, am Sonnabend, dem 25. August zum Begegnungstag nach Stettin zu kommen. Oder aber vom 25. bis 31. August entlang der Grenze bis an die Ostsee zu wandern - wenn nämlich das Veloblog sich all jenen öffnet, die neugierig sind, die Region zu entdecken? Ein großes Dankeschön an 80studio für die Fotos! Was ist die Welt doch klein! Wen sehe ich da auf der polnischen Seite? Matthias, der für ein paar Stangen Zigaretten mit dem Rad gekommen ist - Wiedersehen garantiert! In Schwedt habe ich eine Adresse, eine gute Adresse: die der Familie Manthe, die im Sommer 2005 die Gastfamilie meiner kleinen Schwester war und mir schon damals auf einmalige Art die Region vorgestellt hatte. Hier Klein Ziethen und Gross Ziethen, zwei von den nach dem Edikt von Nantes (1635) aus Frankreich geflohenen Hugenotten gegründete Dörfer. Dort das Museum des Nationalparks “Unteres Odertal” in Griewen, in dem u.a. das System zur Regelung des Wasserstands der Oder erklärt wird. Und natürlich Schwedt, sein zum Hotel gewandeltes Wasserschloss, die “gallische Siedlung” mit ihren Wällen, die nicht vor den Römern, sondern vorm Verkehrslärm und der Chemieanlage schützen sollen, letztere ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, obwohl die goldenen Zeiten auch hier vorbei sind. Die Familie erzählt mir von den 60er Jahren, als Paare nach Schwedt kamen um hier zu arbeiten und zu wohnen, in der damaligen Vorzeigestadt mit modernen Wohnungen. Inzwischen wurden die Unternehmen umstrukturiert, rationalisiert und Arbeitsplätze machen sich rar. Die Bewohner müssen anderswo danach suchen und die Häuser leeren sich. Einige Blöcke werden abgerissen, wie in Eisenhüttenstadt, der anderen sozialistischen Stadt weiter südlich. Aber, und das ist sehr faszinierend, andere Blöcke werden umgebaut, wie die “am Waldrand”, wo die großen Blöcke sachkundig zerteilt und in kleinere Wohnkomplexe umgewandelt wurden, weniger hoch und weniger breit, eher wie Pavillions. Die Stadt tut alles, um die Leute zu becircen, aber das kostet, sagt Matthias… Nicht immer leicht… Nun ja: gute Stimmung ist jedenfalls sicher, und wieder einmal lädt mich die Familie Manthe in ein griechisches Restaurant ein. Ein anderes als das vom letzten Mal. DIE Gelegenheit, um bei einem Glas Ouzo über die griechische Bevölkerung von Schwedt zu spekulieren… |