Archiv für den 7. August 2007Hier schreibt Frank J.: In der näheren Umgebung von Brieskow-Finkenheerd gibt es zwei Baggerseen, die durch einen Kanal miteinander verbunden sind. Wir steuern gemäß der Empfehlung der Freiwilligen Feuerwehr zunächst auf den touristisch sehr gut erschlossenen Helenesee zu. Nach kurzer Fahrt über den Campingplatz beschließen wir, die Alternativen zu diesem zu sichten. Wir stellen jedoch fest, dass der Campingplatz und damit auch der See durch einen Zaun inkl. abgeschlossenem Tor begrenzt wird. Erfreulicherweise sind wir nicht die Ersten, die das ärgert, so dass der Zaun schon einige Dellen aufweist, über die wir unsere Räder wuchten können. Nach einiger Tortur durch Sandstrecken werden wir am Katjasee mit Ruhe, kalten klarem Wasser, einem schönen Sonnenuntergang und Mücken belohnt. Nach Einbruch der Dunkelheit sehen wir neben „Schnuppersternen“ auch eigentümlich unregelmäßig Blitze am Nachthimmel. Da wir anfangs ein Gewitter aus heiterem Himmel befürchten, bauten wir das „Zelt“ auf, um unser Gepäck und ggf. auch uns vor dem Regen zu bewahren, wobei es sich wohl dann um eine „Entweder-Oder-Lösung“ handeln würde. Dabei entwickelt sich folgende Fragstellung: „Ist es in Deutschland erlaubt, ohne Zelt an einem See im Schlafsack zu übernachten?“ Vermutlich lässt sich dass nicht bundesland- bzw. seenübergreifend beantworten, aber falls sich jemand damit auskennt, würden wir uns über einen Kommentar freuen. Und hier nun der bisher kürzeste Eintrag im Veloblog, um Frank, dem Webmaster des Veloblogs, den Staffelstab zu überreichen. Frank ist gekommen, um mir bei der Vorbereitung zum zweiten Begegnungstag am Samstag in Frankfurt/Oder - Słubice zu helfen. An dieser Stelle gestatte ich mir, den Journalistenkollegen kleine Geschichten zu erzählen, solche die man mir erzählt ebenso wie die des Veloblog. Das kann man alles in unserer Presseschau entdecken, wo man die Reise dank der Berichte von Frank mitverfolgen kann. Doppelt soviel Lesestoff für alle Veloblog-Begeisterten. Es wird Zeit, von Peter und seinem wunderbaren Garten Abschied zu nehmen. Nach einem Treffen mit der Märkischen Oderzeitung packe ich meine Sachen zusammen und mache mich wieder auf den Weg, voller Dankbarkeit gegenüber meinem Gastgeber, der gerade dabei war, seine Waschmaschine in Gang zu setzen, um meine Minimalisten-Garderobe wieder frisch zu machen! Bleibt gerade noch Zeit, durch das Nachbardorf Aurith zu fahren. Das Restaurant „Zur alten Fähre“ ist geschlossen. Schade, es scheint, dass man hier gerne über das Projekt einer Brücke oder Fähre über die Oder in Richtung der Nachbargemeinde Urad spricht. Einige Meter weiter, direkt vor einem Erdwall entlang der Oder, verkündet ein riesiges Schild auf dem Weg den Radfahrern etwas völlig anderes: keine Brücke, sondern eine Fähre, um die Natur zu bewahren. Der Anfang ist gemacht. Kommt also alle am Samstag nach Frankfurt/Oder – Słubice zu unserem zweiten Begegnungstag: Um 20 Uhr wird die Journalistin Tina Veihelmann Auszüge aus ihrem Werk „Aurith – Urad, zwei Dörfer an der Oder“ lesen, eine Nahaufnahme des Alltags der beiden Grenzorte, zwei Welten – fremd und ähnlich zugleich. Ernst Thälmann. Wer kennt nicht den Namen dieses Opfers des Nazi-Regimes, Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), der 1933 von den Nazis in Folge des Reichstagsbrands verhaftet und 1944 im Konzentrationslager Buchenwald umgebracht wurde? In der ehemaligen DDR galt Ernst Thälmann als Held, und etliche Städte wurden nach ihm benannt, darunter der Nachbarort von Ziltendorf, die „Thälmannsiedlung“. Die 220 Seelen-Gemeinde entstand in der Nachkriegszeit. Sie wurde 1949 auf Grundlage der Verordnung 209 der russischen Militärverwaltung errichtet, um den Vertriebenen aus dem Osten ein Dach über dem Kopf zu geben. „Alles war vom Hin und Her an der deutsch-russischen Front zerstört. Kaum etwas von diesem Landbesitz und dem Gutshaus, dessen Steine unter anderem dazu dienten, die neue Siedlung zu bauen, ist übrig geblieben“, erzählt Werner Bode. Werner Bode aus der Thälmannsiedlung: eine Geschichte, die den Kameraden der “l’Humanité” (französische Tageszeitung) gefallen würde! Denn Werner ist ein „Wessi“ mit einer ungewöhnlichen Lebensgeschichte. Weil sein Vater am Ende des Zweiten Weltkriegs verschollen ist, wächst er bei seinen Großeltern auf. „Mein Großvater hat aus mir einen Kommunisten gemacht, und einen richtigen!“, sagt mir Werner. In seiner Jugend war er Mitglied der FDJ, der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die damals in West-Deutschland verboten war. “Wir haben Flyer verteilt, um gegen die Politik der damaligen Regierung zu protestieren”, erklärt er mir. Und fügt hinzu, dass es immer noch dassellbe Theater sei, dass derjenige, der das Geld hat, die Demokratie macht, und dass man aufhören sollte zu sagen, dass Sozialismus und Kommunismus gescheiterte Ideologien seien, denn es hat sie ohnehin kein Land erlebt, weder die UdSSR noch die DDR. Und er kommt auf seine eigene Geschichte zurück: „Angeklagt, weil ich mit der praktizierten Politik nicht einverstanden war, erwarteten mich vier Wochen Gefängnis und fünf Jahre Freiheit unter Beobachtung. Da habe ich meine Siebensachen genommen und bin in die DDR gegangen.“ Das war 1954. Und bis zum Jahre 1999 hat Werner Bode seinen Fuß nicht wieder auf westdeutschen Boden gesetzt. „Nichts hat sich geändert, das ist zum Verzweifeln!“, fasst er in wenigen Worten zusammen, die Schultern hoch gezogen. Er zieht es vor, sich an die guten alten Zeiten mit Peter zu erinnern und mir die Entwicklung der Thälmannsiedlung zu beschreiben, wo er 1962 mit seiner Frau hingezogen ist. Das alles bei einem improvisierten Abendessen mit Gurken aus dem Garten – „Schnellgurken“, erklärt mir seine Frau – und einer Suppe aus kalten Früchten, auch „Kaltschale“ genannt, einer beliebten Speise zu DDR-Zeiten… |