Archiv für den 6. August 2007Peter bin ich in Ziltendorf, etwa zehn Kilometer nördlich von Eisenhüttenstadt, begegnet. Dort, wo ich eigentlich meinen morgendlichen Kaffee trinken wollte. Die Cafés des Dorfes waren noch geschlossen, als mir dann Peter vorgeschlagen hat, einen in seinem Garten zu trinken… man sollte nicht damit rechnen, dass ich nein sage! Unter der Morgensonne erkläre ich ihm das Projekt Veloblog. Mir kleine Geschichten über die Region von deren Einwohnern mit Hinblick auf die deutsch-polnischen Beziehungen erzählen zu lassen. „Mensch, du wirst damit einen Bestseller schreiben können!“, entgegnet mir Peter, mit lachenden Augen hinter der Brille. Was Geschichten anbelangt, davon hat Peter wirklich gute auf Lager. Er verfügt außerdem über das Geschick, sie zu erzählen, für denjenigen, der ihm zuzuhören weiß. Denn die Polen, gibt Peter zu bedenken: „Diese Schlitzohren, sie bauen ein Auto auseinander, um es im Taschenformat über die Grenze zu bringen und bauen es auf der anderen Seite wieder auf, um es weiter zu verkaufen!“ Jetzt ist es raus. Aber versteht das nicht falsch, nein, denn die Polen sind die besten Ingenieure der Welt, „sie wissen wie’s geht“. Gleiches gilt fürs Benzin: „Sie mischen und verdünnen dir das ganze. Und das funktioniert, denn die Deutschen sind so blöd und fahren kilometerweise und füllen ihre Tanks mit Benzin, das 10 Cents billiger ist!“ Peter kann sich nicht beherrschen. Und seitdem er 1995 vier Monate in Radnica verbracht hat, kann er eine Menge Geschichten erzählen! Alles begann damit, als er mit dem Fahrrad nach Urad fahren wollte, einem polnischen Dorf gegenüber von Aurith, auf der anderen Seite der Oder. Das war nicht wirklich einfach, er musste dort drei Anläufe nehmen, bevor er den richtigen Weg fand. „Du denkst, dass das alles nahe bei einander ist, bloß um die nächste Ecke, aber tatsächlich musst du einen derartigen Umweg machen!“ Und er erzählt mir von seinen damaligen Eindrücken: „In Polen sind sie 20 bis 30 Jahre hinterher, mit den wilden Müllhalden mitten im Wald, wie damals bei uns zu DDR-Zeiten.“ Peter beschreibt mir die Orte: Die „Skleps“, der „Konsum“, die arbeitslosen Männer, die billigen Wein trinken, um die Zeit tot zu schlagen und die den Neuankömmling anbetteln. „So ist das in Polen, du hast kein Sozialsystem wie hier, um die Menschen aufzufangen. Es gibt sehr Reiche und sehr Arme. Und die Unterschiede, in Gottes Namen, tja, die sind groß!“ Peter erzählt mir von einer adretten Villa, nicht weit vom Konsum der Trinker. „Als ich dort vorbei gefahren bin, ist eine Dame in den Garten hinaus getreten, sehr elegant, angezogen wie eine Französin. Ich dachte, sie wäre Moulin Rouge entsprungen!“ Ohne Papiere und mit dreißig Pfennigen in der Tasche ist Peter vier Monate in Radnica geblieben. „Ich habe auf den Feldern ausgeholfen und ich hatte immer etwas, wo ich meine Wäsche waschen konnte, etwas zu essen und ein kleines Zimmer, erzählt er mir bevor es aus ihm herausplatzt: „Die wissen wie man die Kartoffeln anbaut da drüben! Der Ackergaul sah dort nichts mehr, die Maschine war zur Hälfte abgeschraubt und der Fahrer ziemlich blau!“ Aber ja, das war eine schöne Zeit. So viel ist sicher! Trotzdem hat Peter entschieden, zurück zu kehren. Auch wenn er in Deutschland keine Arbeit hat. Und obwohl er keinen Ausweis hatte. Ein polnischer Freund schlägt ihm vor, die Grenze bei Guben-Gubin im Kofferraum seines Mercedes’ zu überqueren. Für zwanzig Deutsche Mark. Peter willigt ein, er hat keine Wahl und möchte gerne zurückkehren. Und dann der Meinungswechsel: Beim Annähern an den Grenzposten steigt er nicht in den Kofferraum, sondern geht direkt auf die Zollbeamten zu. Um sich zu arrangieren. Wie üblich. Der polnische Zollbeamte ist einverstanden. Wenn es der deutsche auch ist. Kurzer Austausch zwischen den beiden. Zustimmendes Kopfnicken. Und so ist Peter zurück im Land. Er zögert nicht, eine junge Französin in seinem Garten zu empfangen, um seine Abenteuer zu erzählen. Das ist Peter. Er ist wirklich sehr freigiebig: Vom Kaffee bis zur Willensäußerung und schließlich schlägt er mir sogar vor, sein bonbon-rosa Zelt einzuweihen. Was mich mit den Gärten versöhnt! |