Archiv für den 29. Juli 2007Es fällt mir schwer, Euch die Geschichte von Horno zu erzählen, denn ich habe das Dorf nie gesehen. Jedenfalls nicht das echte, nur das Neue. Und das alte habe ich umsonst gesucht und nicht gefunden. Dabei höre ich ständig davon. Horno wurde aus der Karte gestrichen, aus dem Internet gestrichen. www.horno.de gibt es nicht mehr. Das kleine Dorf von etwa 350 Einwohnern hat sich endgültig vom klaffenden Loch des Kohletagebaus von Jänschwalde, nordwestlich von Forst, verschlingen lassen. Im Juni 2004. Seit Jahren hatten sich die Bewohner gewehrt, erklärt man mir im Nachbardorf Grießen. Um genau zu sein seit 1977. Sie haben alles versucht: Sie kämpften für die recht große Gemeinschaft der Sorben in der Gemeinde, um die 500 Jahre alte Kirche und ums Prinzip. Aber das Unternehmen Lausitzer Braunkohle AG (LAUBAG) hat schließlich gegen jeden Einzelnen gewonnen. Sogar gegen das Ehepaar Herr und Frau Domain, die bis zum letzten Moment Eigentümer ihres Hauses, des Dorfcafés, blieben, mitten in Staub, Krach und der Minenwüste. Es ist keine Geschichte wie jede andere, und dennoch ist es nicht das erste Mal, dass man mir so etwas in dieser Region erzählt. Die Einen fragen nach dem Sinn dieser Grube, die sich von Cottbus bis zur Grenze erstreckt und alles auffrisst, was sich ihr in den Weg stellt. Die Anderen sehen darin vor allem Arbeitsplätze. Aber niemand fragt sich wirklich, ob das wirtschaftlich tragbar ist. Eine seltsame Stimmung. Vor allem, wenn man weiß, dass die Unterhaltung in Grießen, einem Dorf am Rande der Grube, stattfindet. Ein Dorf gewissermaßen auf der Warteliste. Auch wenn die Leute an der Bar der Pumpstation mir das Gegenteil weismachen wollen. Sie fügen hinzu, dass man hier schon seit den 90er Jahren keine Bauerlaubnis mehr bekommt. Wie zuvor in Horno. Und das mit dem Lärm, dem Staub und dem Loch, naja, es gibt jetzt nur noch rund hundert Einwohner. Gruselig. Genauso gruselig ist übrigens der Umweg über die Kohlenminen auf der Suche nach dem verschwundenen Dorf. Abrupt endende Straßen (1, 2), veraltete Hinweisschilder und ein Loch, ein riesiges, schwarzes Loch (1, 2). Wie im Süden von Weißwasser. Wie im Norden von Bogatynia. „Wollen Sie Horno sehen? Da kommen Sie aber gut zwei Jahre zu spät! Hier gibt es nichts mehr“, sagt mir der Dienst habende Wachmann der Grube. „Jetzt sind sie alle in Neu Horno, einem Vorort von Forst.“ Zwanzig Kilometer weiter. Ein komplett von der Firma gebautes Dorf für die „Umsiedler aus Horno“. Perfekte kleine Häuser, aber ohne Seele. Fotografiert unter einem Regenbogen. Die perfekte Postkarte Und trotzdem, die alten Leute sterben hier wie die Fliegen… für eine sinnvolle Energiepolitik? |