Archiv für die ‘Ostritz’ Kategorie

Jetzt schreibe ich gerade aus dem “Ratskeller”, dem ehemaligen Restaurant des Rathauses. Das Haus, derzeit unbewohnt - das heißt “zu vermieten” - liegt am Rathausplatz von Ostritz. Es ist schon eine eigenartige Erfahrung, jede Nacht woanders zu schlafen, von einem Kloster zu einem leer stehenden Haus zu wechseln. Ziemlich fasziniert von diesem Ort habe ich einen kleinen Rundgang gemacht, mit dem Fotoapparat in der Hand… Bilder (2,
3, 4, 5)
Schließlich ist auch das ein Element der Grenzregion, all diese Gebäude voller Geschichten, aber praktisch ohne Inhalt!

Den Schlüssel zu diesem Haus bekam ich freundlicherweise gestern von Gregor Glodek, der im Vereinshaus der kleinen Stadt sitzt und mir gerne deren Aktivitäten vorstellt. “Alles fing kurz nach der Wiedervereinigung an, ausgehend von persönlichen Kontakten, die auf beiden Seiten der Grenze bestanden”, erklärt er mir. “Wir wollten die bestehenden Grundannahmen besiegen, die alten Vorurteile so weit wie möglich auslöschen.”

Heute vereinigt das Vereinshaus mehrere Initiativen zur Kooperation zwischen den Nachbarländern unter seinem Dach. Hier ist der deutsch-polnische Kindergarten “Kinderhaus St. Franziskus” mit etwa zehn Kindern aus beiden Ländern, dort ein deutsch-polnisches Theater, das in beiden Sprachen 7-14jährigen Kindern die Kunst der Pantomime beibringt. Und das ist noch lange nicht alles! Einmal im Jahr fährt Gregor Glodek mit etwa zehn deutschen Gymnasiasten nach Polen, um mit dem Segelboot die Region Masuren zu erkunden. “Ohne es wirklich zu merken, bekommen die Jugendlichen auf diese Weise ein anderes Bild von Polen. Sie sehen es nicht mehr nur durch die Ramschläden entlang der Grenze, sondern entdecken es aus dem Inneren heraus.”

Schließlich organisiert das Vereinshaus Ostritz seit mehr als zehn Jahren die berühmten “Europawanderungen”: um die 40km, um in 3 bis 4 Stunden die drei benachbarten Länder Deutschland, Polen und Tschechische Republik zu entdecken. “Unser Ziel ist es, die Region als Einheit zu präsentieren, die Bewohner einzuladen, miteinander statt nebeneinander zu leben”, antwortet Gregor auf meine Frage nach dem Warum des Wie. “Der Fluss soll seine ursprüngliche Funktion wieder bekommen, uns zu verbinden und nicht zu trennen.” Und er fügt hinzu: “Wir haben mit einer Handvoll Leuten begonnen, und jetzt kommen fünf- bis sechshundert Teilnehmer aus ganz Deutschland mit uns!” 2003 bekamen die Wanderer sogar eine Sondergenehmigung, die Neiße bei Hagenwerder (nördlich von Ostritz) zu überqueren, obwohl die fragliche Brücke noch nicht in Betrieb war…

Gregor Glodek ist der einzige Vollzeitmitarbeiter des Vereinshauses für die Organisation all dieser Aktivitäten. Seine vielen Partner sind ehrenamtlich tätig, und wenn er auch nicht direkt den Wunsch danach äußert, so scheint er doch keineswegs abgeneigt zu sein, einige richtige Kollegen zu bekommen, um den Berg an Arbeit zu bewältigen…



Jul
18
Einsortiert unter (Bahnhof Ostritz, Züge, Schengen, Ostritz, Grenzübergang, Görlitz-Zgorzelec, Zittau, Allgemein) von traduction.allemand am 18.07.2007

Uwe Rada hatte es mir ja gesagt: Der Bahnhof Ostritz ist ein deutscher Bahnhof auf polnischem Territorium. Was auch immer das heißt…

Entschlossen, mehr darüber zu erfahren, bin ich dorthin gefahren, um mit den Grenzbeamten zu sprechen. Der eine ist Deutscher, der andere Pole: Das ist der “one-stop”, erklären sie mir, eine gemeinsame Kontrolle, die allen Beteiligten Zeit spart - und das für den Zolldienst vorgesehene Budget beider Staaten entlastet.

Beide sind mit der Überwachung der kleinen Fußgängerbrücke über die Neiße betraut, die Ostritz mit seinem Bahnhof verbindet, der seit 1945 und der neuen Grenzziehung in Polen liegt. Ironie der Geschichte. “Unglaublich, aber wahr, auch hier muss sich Deutschland um den Grenzschutz kümmern. Wir sind hier für eine der berüchtigten Außengrenzen des Schengener Raums zuständig”, erzählt mir der deutsche Beamte nicht ohne eine gewisse Bosheit in den Augen. “Wir kontrollieren hier, um sicher zu sein, dass keine Rumänen oder Ukrainer einfach so in den Schengener Raum herein kommen.” Und er fügt hinzu, dass ab Herbst 2008 Polen die Verantwortung übernehmen wird. “Wir werden den Kollegen gerne noch ein wenig länger helfen, bis alles in Gang gekommen ist.”

Die wichtigste Aufgabe dieser Herren besteht darin, die Passagiere zu kontrollieren, die zwischen Bahnhof und Stadt hin- und hergehen. Denn die deutschen Züge, die seit mehr als 130 Jahren durch das Neißetal zwischen Zittau und Görlitz fahren, kümmern sich herzlich wenig um die Grenze und halten eben auf polnischem Boden, um den Bahnhof von Ostritz anzufahren. Mit dem Ergebnis, dass die Passagiere sowohl beim Ein- wie auch beim Aussteigen kontrolliert werden.

Glaubt also nicht, ihr könntet auf die letzte Minute noch in den Zug springen, sondern rechnet lieber ein paar Minuten mehr ein, um diese Absurdität kennen zu lernen und das Konzept der aufgelösten Grenze im Schengener Raum zu relativieren.



Jul
18
Einsortiert unter (Euroregion Neiße, PONTES, Ostritz, Kloster Sankt Marienthal, Allgemein) von traduction.allemand am 18.07.2007

Dieses Mal habe ich im Kloster Sankt Marienthal Zuflucht gefunden. Das riesige Zisterzienserkloster, direkt am Ufer der Neiße gelegen, hat stark zur Entwicklung der Grenzstadt Ostritz beigetragen, allerdings selbst nur wenig mit der Grenze zu tun.

Diese Niederlassung, die seit dem 13. Jahrhundert besteht, derzeit mitten in Renovierungsarbeiten steckt und in der noch vierzehn Schwestern leben, bietet Durchreisenden ein Dach über dem Kopf. Abgesehen von der Ruhe des Ortes, der Bibel auf dem Nachttisch und dem kleinen Jesus an der Wand ist der Unterschied zu einer Pension nicht sehr groß.

Ein für Veloblog interessanter Punkt ist allerdings das Projekt PONTES, das auch im Kloster untergebracht ist. Es gehört zum internationalen Begegnungszentrum desselben und organisiert trinationale Begegnungen in der Euroregion Neiße. “Die Organisation wurde 2002 mit dem Beginn des Programms ‘Lernende Regionen‘ des deutschen Bildungsministeriums gegründet”, erklärt mir Claudia Meusel freundlich. “PONTES entwickelt Projekte, um die Region zu entwickeln und den Bewohnern zu helfen, hier Arbeit zu finden, Männern wie Frauen.” Weitere PONTES-Zweigstellen gibt es in Polen und der Tschechischen Republik; sie beteiligen sich an der Koordinierung der verschiedenen Projekte. Seit dem EU-Beitritt und einer vereinfachten Subventionsvergabe zeigen laut Frau Meusel Polen und Tschechen immer größeres Interesse. Und dann erzählt sie leicht amüsiert, wie die gemeinsame Arbeit vonstatten geht: “Die Deutschen sind immer sehr korrekt, machen für alle Welt Kopien und sind sehr pünktlich. Die Tschechen und vor allem die Polen sind viel entspannter. Die Arbeit wird gemacht, aber manchmal muss man das Ganze fünfmal wiederholen!” Im Gegenzug beherrschen immer mehr Polen und Tschechen die Sprache Goethes. Vielleicht, weil die Begegnungen meist im Kloster Sankt Marienthal stattfinden, wegen der dort vorhandenen Ausstattung?

PONTES ist derzeit mitten in einer Umstrukturierungsphase. Das Programm “Lernende Regionen” ist ausgelaufen, nun müssen Abschlussberichte verfasst und neue finanzielle Unterstützungen gefunden werden. Aber Frau Meusel macht sich keine Sorgen, das Abenteuer wird weitergehen, die vierzehn Beschäftigten von PONTES und ihre Partner werden sich weiter verausgaben, um Projekte zur Dynamisierung der Euroregion Neiße zu organisieren.



Jul
17
Einsortiert unter (Ostritz, Posada, Radweg, Kloster Sankt Marienthal, Grenzübergang, Allgemein) von traduction.allemand am 17.07.2007

Jetzt kennt ihr meine Stimmungsschwankungen. Vielleicht eine etwas lebendigere Art, Euch die beiden möglichen Routen zwischen Zittau und Ostritz, einer kleinen Stadt etwas weiter nördlich an der Grenze, vorzustellen. Mit einer Anekdote im Vorbeifahren…

Auf deutscher Seite gibt es einen Radweg entlang der Neiße, wo man im Schatten und im Flachen mitten durch den Wald fahren kann. Toll!

Auf polnischer Seite gibt es keinen Radweg, aber eine gut ausgebaute, wenig befahrene Straße. Das erlaubt es einem, das wirtschaftliche Herz der Region kennen zu lernen, allerdings muss man einige kleine Steigungen in Kauf nehmen. Aber wer hochfährt, fährt auch wieder runter. Und der Ort Posada, nicht weit von der Neiße, ist so malerisch, dass sich der Umweg lohnt.

Und falls es unmöglich sein sollte, vom besagten Dorf aus die Neiße zu überqueren, um das Kloster Sankt Marienthal zu erreichen, dann gibt es immer noch einen kleinen Waldweg, der einen zum nächsten Grenzübergang in Ostritz führt. Das haben mir einige Polen aus ihrem Vorgarten heraus versichert. “Die Grenze? Geradeaus und dann links.”

Mir kommen leichte Zweifel, als ich den Weg zum Pfad werden und die Mücken heranschwärmen sehe, und ein kurzes Gedenken an meine Polnischlehrerin in der Hoffnung, alles richtig verstanden zu haben. Denn es wird langsam dunkel… und ist da nicht am Wegesrand… oh Graus, eine kleine Blindschleiche wird von Fliegen verzehrt! Ich stoße kleine Schreie aus: die Panik steigt, die Phobie ist nicht weit! Ich glaube, ich bin noch nie so schnell gefahren, im Wald und mit halbgeschlossenen Augen.

Ein kleiner Durchdreher, der mir allerdings gestattet hat, den Grenzübergang für Fußgänger und Fahrradfahrer in Ostritz um zwei Minuten vor acht zu erreichen, und um acht schließt er…



  • Suche



Lustiger Spendenaufruf



  • Der Weg


    Karte

  • Véloblog empfehlen