Archiv für die ‘Grenzübergang’ Kategorie
Uwe Rada hatte es mir ja gesagt: Der Bahnhof Ostritz ist ein deutscher Bahnhof auf polnischem Territorium. Was auch immer das heißt… Entschlossen, mehr darüber zu erfahren, bin ich dorthin gefahren, um mit den Grenzbeamten zu sprechen. Der eine ist Deutscher, der andere Pole: Das ist der “one-stop”, erklären sie mir, eine gemeinsame Kontrolle, die allen Beteiligten Zeit spart - und das für den Zolldienst vorgesehene Budget beider Staaten entlastet. Beide sind mit der Überwachung der kleinen Fußgängerbrücke über die Neiße betraut, die Ostritz mit seinem Bahnhof verbindet, der seit 1945 und der neuen Grenzziehung in Polen liegt. Ironie der Geschichte. “Unglaublich, aber wahr, auch hier muss sich Deutschland um den Grenzschutz kümmern. Wir sind hier für eine der berüchtigten Außengrenzen des Schengener Raums zuständig”, erzählt mir der deutsche Beamte nicht ohne eine gewisse Bosheit in den Augen. “Wir kontrollieren hier, um sicher zu sein, dass keine Rumänen oder Ukrainer einfach so in den Schengener Raum herein kommen.” Und er fügt hinzu, dass ab Herbst 2008 Polen die Verantwortung übernehmen wird. “Wir werden den Kollegen gerne noch ein wenig länger helfen, bis alles in Gang gekommen ist.” Die wichtigste Aufgabe dieser Herren besteht darin, die Passagiere zu kontrollieren, die zwischen Bahnhof und Stadt hin- und hergehen. Denn die deutschen Züge, die seit mehr als 130 Jahren durch das Neißetal zwischen Zittau und Görlitz fahren, kümmern sich herzlich wenig um die Grenze und halten eben auf polnischem Boden, um den Bahnhof von Ostritz anzufahren. Mit dem Ergebnis, dass die Passagiere sowohl beim Ein- wie auch beim Aussteigen kontrolliert werden. Glaubt also nicht, ihr könntet auf die letzte Minute noch in den Zug springen, sondern rechnet lieber ein paar Minuten mehr ein, um diese Absurdität kennen zu lernen und das Konzept der aufgelösten Grenze im Schengener Raum zu relativieren.
Jetzt kennt ihr meine Stimmungsschwankungen. Vielleicht eine etwas lebendigere Art, Euch die beiden möglichen Routen zwischen Zittau und Ostritz, einer kleinen Stadt etwas weiter nördlich an der Grenze, vorzustellen. Mit einer Anekdote im Vorbeifahren… Auf deutscher Seite gibt es einen Radweg entlang der Neiße, wo man im Schatten und im Flachen mitten durch den Wald fahren kann. Toll! Auf polnischer Seite gibt es keinen Radweg, aber eine gut ausgebaute, wenig befahrene Straße. Das erlaubt es einem, das wirtschaftliche Herz der Region kennen zu lernen, allerdings muss man einige kleine Steigungen in Kauf nehmen. Aber wer hochfährt, fährt auch wieder runter. Und der Ort Posada, nicht weit von der Neiße, ist so malerisch, dass sich der Umweg lohnt. Und falls es unmöglich sein sollte, vom besagten Dorf aus die Neiße zu überqueren, um das Kloster Sankt Marienthal zu erreichen, dann gibt es immer noch einen kleinen Waldweg, der einen zum nächsten Grenzübergang in Ostritz führt. Das haben mir einige Polen aus ihrem Vorgarten heraus versichert. “Die Grenze? Geradeaus und dann links.” Mir kommen leichte Zweifel, als ich den Weg zum Pfad werden und die Mücken heranschwärmen sehe, und ein kurzes Gedenken an meine Polnischlehrerin in der Hoffnung, alles richtig verstanden zu haben. Denn es wird langsam dunkel… und ist da nicht am Wegesrand… oh Graus, eine kleine Blindschleiche wird von Fliegen verzehrt! Ich stoße kleine Schreie aus: die Panik steigt, die Phobie ist nicht weit! Ich glaube, ich bin noch nie so schnell gefahren, im Wald und mit halbgeschlossenen Augen. Ein kleiner Durchdreher, der mir allerdings gestattet hat, den Grenzübergang für Fußgänger und Fahrradfahrer in Ostritz um zwei Minuten vor acht zu erreichen, und um acht schließt er…
Jetzt ist es soweit, ich stehe vor meinem ersten Grenzübergang! Ich durchwühle meine ganze Tasche, um meinen Pass zu finden, der dann nicht einmal einen Stempel bekommt… Kurzum: Das Abenteuer geht weiter, diesmal auf der polnischen Seite in Sieniawka. Vor dem Basar, der sich vor meinen Augen ausbreitet, entscheide ich, die Klischees zu überprüfen. Begegnung mit einer polnischen nicht Zigaretten, sondern Obst- und Gemüsehändlerin: |